Alles neu macht der Mai
…Updates von der Netzwerkfront

Haben wir nicht schon Juni? …möge man die Überschrift stellvertretend für das sehen was ich seit längerem aus dem Hause Audinate erwarte, Updates, Information und Nähe zum Endkunden besonders was Support betrifft. Letzteres ist ja bekanntermaßen Teil der Firmenphilosophie und der strategischen Abschirmungspraxis. Soll sich doch der Lizenznehmer mit dem Anwender rumschlagen Audinate ist eher ein Zulieferer. Dann kam die Einladung zur Veranstaltung “Audio-over-IP in Broadcast with Dante” in Köln. …da muss ich natürlich hin und ein paar Themen abklopfen die bisher eher Spekulation den offizielle Ankündigung waren.
AES67
Grenzenlose Freiheit für Audio-Over-IP
AES67 hat das Ziel Interoperabilität zwischen verschiedenen Audio-Over-IP Lösungen zu ermöglichen. Kurz gesagt eine Dante Quelle auf ein AVB Senke zu patchen oder umgekehrt. Das ganze funktioniert dann für die großen Platzhirschen Dante, AVB, RAVENNA, Livewire und Q-LAN, fertig ist die heile Netzwerkwelt. Dann schauen wir uns mal an wie die aktuelle Lage ist. AES67 wurde am 11.09.2013 publiziert. Das Papier kann hier bezogen werden. http://www.aes.org/publications/standards/search.cfm?docID=96 Es beschreibt auf 43 Seiten recht verständlich das AES67 KEIN eigenständiges Protokoll ist was man einfach so implementiert und die vorhandenen oben genannten Lösungen hinfällig macht. Es steht in keinerlei Konkurrenz zu den Protokollen sondern baut vielmehr auf ihnen auf indem die kleinsten gemeinsamen Nenner standardisiert werden. D.h. die Hersteller der o.ä. Protokolle implementieren einen AES67 kompatiblen Modus und dann können Signale untereinander ausgetauscht werden. Es definiert Mindeststandards bzw. kleinste gemeinsame Nenner wie z.B. Clocking mit IEEE1588-PTP, 48kHz, Uncompressed PCM, 1ms Latenz. Das kling vielversprechend …wann kann ich das nutzen?
Auf der Tonmeistertagung im November 2014 berichtete ALC NetworX von einem großen Plugfest im Oktober 2014 auf dem erfolgreich eben diese Interoperabilität getestet wurde. Auf der Audinate Veranstaltung in Köln berichtete NTP über ihre Erfahrungen bei der Implementation von AES67. Doch zunächst einen Schritt zurück. Wann kommt das Audinate Update mit AES67? Antwort gar nicht! Die Hersteller/Lizenznehmer implementieren AES67 und Audinate hilft hierbei falls nötig. D.H. es läuft, die Hersteller müssen nur machen, Audinate schuldet hier kein “angekündigtes” Update. Das führt uns jetzt zum dänischen Hersteller NTP die mit dem Penta eine Broadcast Routingmatrix im Programm haben und AES67 für Dante implementieren wollen um mit Ravenna und Co Signale austauschen zu können. Ravenna ist ein Protokoll von ALC NetworX die wiederum LAWO gehören. Daher die Verbreitung im Broadcast Segment aufgrund der Marktanteile von LAWO. Ravenna wird gerne als offenes System dargestellt das jeder einfach so implementieren kann, defakto werden aber auch hier Lizenzkosten fällig. NTP hängt mit seinen Produkten voll in der Mitte und muss erst mal alles bedienen. So muss also Dante im AES67 kompatiblen Modus her. dort ist man grade dran und berichtet ebenfalls vom Plugfest im Oktober 2014, allerdings hat es wohl nicht so reibungslos funktioniert wie von ALC dargestellt. Das erste Problem sind die kleinsten gemeinsamen Nenner …sprich sind 1ms und 48kHz ausreichend? Welche Revision IEE1588-PTP wird genutzt und wie ist RTP implementiert? Das wird nicht überall gleich gesehen und ist in Folge nicht zwingend kompatibel. Das zweite Problem ist, dass das die Implementation des Session Description Protocol (SDP) in AES67 nicht hinreichend genau genug beschrieben ist und einer Revision bedarf. Bis dahin muss man sich quasi überlegen mit wem will man genau kompatibel sein via AES67 und das dann konkret umsetzten. Für einen Hersteller wie NTP dürfte das wohl Ravenna/Lawo sein aber das ist Spekulation und es ist auch noch ca. 6 Monate entfernt von “fertig!”
FAZIT:
AES67 ist cool, bis zur Praxistauglichkeit dauert es aber noch!
…man muss jedoch bedenken dass hier richtig am Strang gezogen wird. Veröffentlichung des Standards 2013, Plugfest genau ein Jahr später….es bleibt spannend. Das schöne an Dante ist ja, dass egal welcher Hersteller von den ca. 200 Lizenznehmern hier ein Produkt baut ES SPIELT IMMER MITEINANDER! …die Forschungsarbeit AES67 Implementation scheint von denjenigen vorangetrieben zu werden wo es am heißesten brennt, das sind dann wohl erst mal die Hersteller von Routingmatritzen im Broadcast Segment die auf LAWO/Ravenna routen müssen. Ich frage mich warum man den Spieß nicht umdreht und 200 Lizenznehmer ihre Macht benutzen und sich unter Leitung von Audinate auf eine AES67 Spezifikation einigen die dann in einer AES67 Revision endet und die ca. 20 Ravenna Lizenznehmer müssen es dann halt so machen wie die große Audio Mehrheit 🙂
Kontrollraum an Brücke
AESX210 und die universelle Head-Amp Steuerung für alle.
Wo wir grade beim Thema Kompatibilität sind. Nicht nur das Audiosignal muss kompatibel sein, auch die Steuerdaten sollten kompatibel sein. Die Hersteller der genannten Routingmatritzen kämpfen mit ca. 200 verschiedenen Steuerprotokollen um Broadcaststudio Umgebungen zu automatisieren. Selbst wer denkt ein IP Router ist ein IP Router irrt, genauso wie beim STP gibt es zig Verfahren die alle nicht ohne weiteres miteinander spielen und immer im Einzelfall kurz kompatibel gemacht werden und fertig. …das das Internet überhaupt funktioniert ist ein Wunder. Keiner profitiert von diesem Wirrwarr und alle wollen Standards aber es wollen auch alle mitreden und nicht immer gibt es EINE Lösung sondern mehrere Ansätze weil für einzelne nicht verhandelbare Grenzen überschritten werden und sich dann neue Gruppen formieren. Für Internetrouting sind Open Flow und Software Defined Networks erste Versuche und für Broadcast Matritzen Amber+ und OCA. Allerdings reicht es hier zumeist noch aus Patchpunkte zu setzen. Was Amber+ genau macht weiß ich nicht aber es kommt wohl aus der Ravenna Ecke und ist eine Art Open Source Protocol. Die OCA Alliance definiert Standards für Parameter die ProAudio Anwender alle benutzen wie Phantompower und Filter ON/OFF, Gain, Frequenz, Güte usw. Das AES Projekt AESX210 soll das Arbeitsergebnis noch dieses Jahr in einen AES Standard überführen. Hell Yeah! das Yamaha mal eben eine Kooperation mit Focusrite ankündigt und die RedNet Wandler in der CL-Serie mountbar UND steuerbar macht scheint dagegen wie Kindergeburtstag. Mir zeigt das, wer den offenen Netzwerkgedanken nicht lebt wird als erster aussterben!
Du kommst hier nicht rein!
Security Anforderungen und sonstige Updates
Audio Netzwerke zu schützen ist ein Thema für sich. Erst mal muss man unterscheiden zwischen Sabotage und versehentlicher Fehlbedienung. Für Sabotage gibt es letztendlich nur folgende Möglichkeiten:
- Layer 1: dicker Security Typ mit fetter Waffe vor dem Maschinenraum
- Layer 2: Mac-Adresse an Port binden
- Layer 3: Subnetze und Router
Eine machbare Möglichkeit für versteckte Dauerleitungen ist z.B. nach erfolgreichem Dante Patch den Discovery Mechanismus der Geräte abzuschalten und diese für den Rest im Netzwerk unsichtbar zu machen. Dazu braucht man die Hilfe von Audinate, aber es geht. …nur das zurückholen ist etwas “pain in the ass” (O-Ton Kieran Walsh/Audinate)
Zum Thema Routing habe ich auch interessante Neuigkeiten erfahren. Es scheint ja so das viele R&D Kollegen mit denen ich so spreche Ravenna als einzige Lösung eingebläut bekommen haben mit der Routing auch über das Internet möglich ist. Ich frage mich dann immer wo haben die das denn schon mal gemacht? Gut im Funkhaus mit Routern in der IT Infrastruktur OK, aber Köln mit Düsseldorf? Mit Dante geht das wohl auch alles, so holt sich die CBC z.B. Audiosignale vom weißen Haus via Dante über das Internet ins Studio …”it is” wieder etwas “pain in the ass” und nicht ohne Audinate zu lösen aber es geht. Natürlich auf Unicast Verbindungen reduziert besonders das Clocking muss hier etwas gebastelt werden.
Audinate arbeitet an wichtigen Security Updates und will innerhalb von 2 Jahren liefern. Man muss bedenken das vom Kaufhaus bis zum BBC Studio hier alle mitreden wollen und erst mal Grenzen abgesteckt werden müssen.
Zunächst ein paar Dinge die ich mir wünsche, aber nicht funktionieren werden:
- Master/Slave Dante Controller: die erste Controller Instanz meldet sich im Netzwerk und das öffenen weiterer Distanzen ist nur auf Bestätigung vom Master oder gar nicht möglich. Das geht leider nicht, weil der Dante Controller kein Programm im eigentlichen Sinn ist sondern nur die Endpunkte visualisiert.
- Herstellerübergreifende Offline Library: ich muss natürlich über mehrere Hersteller planen und vorbereiten ohne immer die Hardware am Schreibtisch zu haben. Das wird es von Audinate nicht geben und immer Sache der Hersteller/Lizenznehmer bleiben. In der Praxis muss ich dann halt eine Yamaha Insel und eine Lake Insel vorbereiten und irgendwann per Dante Controller manuell verheiraten. …da ist das mit den ganzen Firmenfusionen vielleicht doch nicht so schlecht.
Was es aber geben wird ist das Routing über mehrere Subnetze und User Level Access zum Dante Kanal. Das wiederum spielt bei Dante Via schon und wurde anschaulich demonstriert.
Dante Via
Der Nussknacker für alle Audio Treiber
Bald soll es nun soweit sein …VÖ für Dante Via bis ca. August 2015!
Preis? …steht noch nicht fest aber als Massenprodukt natürlich bezahlbar, das lässt auf unter 100$ hoffen.
Mit Dante Via werden sämtliche Audio Interfaces und Softwareapplikationen netzwerkfähig. Und zwar OHNE Brooklynmodul oder sonstige Dante Hardware im Netzwerk. Dante Via ist ein reines Softwareprodukt. Man kann ein Signal von Audiointerface Rechner A mal eben an Audiointerface Rechner B routen oder den Softwareausgang einer DAW wie Logic auf Rechner A mal eben auf Audiointerface oder DAW oder sonstige Software auf Rechner B. Sehr spannende Sache! Die Latenz ist deterministisch in Abhängigkeit der Interfaces und nicht samplesynchron wie im Dante Netzwerk und wird netzwerkseitig bei ca. 40ms liegen, das steht jedoch noch nicht genau fest. Eine eventuell nötige Samplerate Conversion macht das Betriebssystem bzw. dessen Unterprogramme wie z.B. Quicktime bei Apple im normalen Betrieb auf einem Rechner es auch macht. Die maximale Kanalzahl steht ebenfalls noch nicht final fest und wird bei ca. 16 stereo Kanälen liegen. Du willst mal eben einen Dante Kanal vorhören? ….Zack kein Problem einfach auf den Kopfhörerausgang vom Rechner routen. Das patchen muss hierbei immer vom Eigentümer der Quelle bestätigt werden. Da funktioniert das User Level Access auf Kanalbasis schon! …jetzt muss Dante Via nur noch auf Linux laufen und dann kann man mit Raspberry Pi´s lustige Sachen wie Interkom und Abhörtools bauen.
Dante Via: links die Quellen, rechts die Senken. PopUp zur Routingbestätigung durch den Benutzer. Anders als bei Dante Geräten kann bei Via ein Signal einer Via Instanz auch auch sich selbst reroutet werden z.B. Interface A an Rechner A auf Interface B an Rechner A
Dante Via im Dante Controller: die in der Dante Via Software hinzugefügten Audioquellen und Senken tauchen im Dante Controller auf und können hier frei mit einbezogen werden.