The Last End Fired Subwoofer Calculator

Alles begann mit einer blöden Frage…
Ich habe hier eine gegebene Menge Subwoofer und die Aufgabe möglichst viel Schalldruck bis möglichst weit hinten zu transportieren. Einschränkungen bezüglich Platzbedarf vor der Bühne oder Zusatzaufgaben wie rückwärtige Dämpfung gibt es nicht. Kurz um: “mach laut, schieß weit!” und “mach wie Du willst, Du bist der Chef”.
Welches Setup wählst Du?
Gefühlt tendieren die meisten Kollegen denen diese Aufgabe gestellt wird mit der spontanen Auswahl einer End Fired Aufstellung da man damit am meisten Energie nach hinten verteilt, so die auf Knopfdruck dazu gelieferte Begründung.
Falls Dir jetzt sofort “Schwachsinn” in den Sinn kommt, herzlichen Glückwunsch Du gehörst wie ich zu den ca. 15% Andersdenkender und brauchst nicht weiter lesen. 

Marktüberblick System Techniker Wissen

Facebook Umfrage Oktober 2019
Gerne würde ich mir einen halbwegs repräsentativen Überblick verschaffen was Kollegen entscheiden wenn man ihnen die einfache oben skizzierte Aufgabe stellt „mach laut, schieß weit!“ Könnte es doch sein, dass mein persönliches Umfeld wenig repräsentativ ist. Hierzu habe ich am 06. Oktober 2019 eine Umfrage erstellt. Einmal in der deutschen Facebookgruppe “Weiterbildung in der Veranstaltungstechnik” von Ambros Funk mit 4112 Mitgliedern die sich mutmaßlich für Weiterbildungsangebote in Ihrem Beruf interessieren. Sowie der internationalen Facebookgruppe “Smaart Users” von Rational Acoustics LLC mit 14.699 Mitgliedern, mutmaßlich viele Systemtechniker mit einem Messgerät. Die Frage lautete wie folgt:

Deutsche Gruppe

Liebe Tonkolleginnen und Kollegen,
ich würde mich über eine spontane Beantwortung der folgenden theoretischen Frage freuen:

Du hast 24 baugleiche Subwoofer (klassisches Bassreflex 2×18” Design) zur Verfügung und keine Einschränkungen bezüglich Platz, Amping, Controlling o.ä.. Die Aufgabe ist den höchstmöglichen Schalldruckpegel für eine lange Zuschauerfläche bis möglichst weit hinten zu erzeugen (BumBum). Emmissionsschutzauflagen o.ä. existieren nicht. Welche der u.a. Aufstellungsvarianten ist hierfür am geeignetsten?

Ich bedanke mich im voraus für eine spontane Antowort ohne Doktorarbeit im Kopf!
Teilt die Frage gerne mit Euren Lieblinkskolleginnen und Kollegen!

Gruss
Bodo

Internationale Gruppe

Dear colleagues,
I would be glad about a spontaneous answer to the following theoretical question:

You have 24 identical subwoofers (classic bass reflex 2×18 ” design) available and no restrictions regarding space, amping, controlling or similar.

The task is to produce the highest possible sound pressure level for a long audience area as far back as possible (BumBumUtzUtz). Emission protection requirements or similar do not exist. Also width is not an issue here so we do not care about arcing, TM- or Vortex Arrays or similar …just one dimension.

Also, if you have a setup in mind, please compare it to a fair alternative design of the given options. (e.g.: amount of subs)
Which of the below mentioned Installation variants is most suitable for this?

I thank you in advance for a spontaneous opinion with no doctoral thesis in mind!
thanks & regards
Bodo

Umfrageergebnis nach 6 Tagen am 12. Oktober 2019

2% richtige Antworten

Umfrageergebnis nach 6 Tagen am 12. Oktober 2019

14% richtige Antworten

Wie man anhand der Kommentare sieht scheint die Fragestellung etwas zu kompliziert gewesen zu sein oder ich habe einfach stümperhaft und unscharf formuliert was ich auch nicht ausschließen will. Weiterhin benötigte es in beiden Fällen zunächst eine Person, die die richtige Antwort gewählt hat um überhaupt eine Verfolgerquote anzuschieben. Der Herdentrieb in Richtung End Fired Mythos scheint sich in jedem Fall fortzupflanzen. Inzwischen frage ich mich ob Grundkenntnisse der Pegelrechnung langsam aussterben oder ob die Spezialisierung auf Teilgewerke innerhalb der Tonschaffenden vielleicht an einem kritischen Punkt angekommen ist, denn jeder der an einem Mischpult arbeitet sollte eigentlich wissen wie ein Summenpegel aus unterschiedlichen Kanalpegeln entsteht.

Hier der Summenpegel eines 50Hz End Fired Setup aus 4 Reihen an der Messposition 1m vor dem Frontgrill des Frontsubwoofers. Alle Frequenzen treffen zwar in gleicher Phasenlage ein, jedoch mit unterschiedlichen Pegeln aufgrund der Entfernung zum Messmikro/Emissionsort.  

Im Vergleich dazu ein vertikaler 4er Stack der 7,1dB lauter ist am Emissionsort 1m vor dem Frontgrill.
Anm: die 0,1dB Differenz sind der Tatsache geschuldet, dass Logic keine zweite Nachkommastelle in den Pegelstellern hat.

So nah und doch so fern

Energieerhaltungssatz
Die Gesamtenergie eines geschlossenen Systems kann sich nicht mit der Zeit ändern.
Wenn ich also beispielsweise 3 baugleiche Subwoofer mit je einem Verstärker- und DSP Kanal nehme und diese in verschiedenen Varianten aufstelle gibt es keine Variante die mehr elektrische Energie in Schall und Wärme wandelt wie die optimale.

Optimale Schallwandlung
Was ist nun die “optimale” Variante? Die hier diskutierte Aufgabe lautet möglichst viel elektrische Energie in Schalldruck zu wandeln. Schalldruck der sich im Schallfeld maximal konstruktiv addiert! Dazu müssen zwei Bedingungen am Emissionsort erfüllt sein:
1. Phasenlage aller Schallquellen = 0°
2. Pegel aller Schallquellen = 0dBr

Geeignete Aufstellung
Es gibt nur eine hierzu geeignete Subwoofer Aufstellung. Ein in horizontaler- und vertikaler Richtung symmetrisches Monocluster bei der alle 0° Geräte Abstrahlwinkel, 0° Aufstellungsrichtung entsprechen.

Abgrenzung zur Praxis
Das ein 6x6m Subwoofer Monocluster andere Anforderungen an ein Beschallungskonzept oder ein Bühnendesign nicht erfüllt  ist offensichtlich. In diesem Artikel sind Anforderungen an rückwärtige Dämpfung eines Subwoofer Setups ausgeklammert, selbstverständlich ist die End Fired Variante eine hierzu geeignete Variante, stellt sie doch einen Kompromiss zwischen einer klassischen Gradient Cardioid Variante und einer Broadside- bzw. klassischen vertikal Stack Zahnlücken Aufstellung dar. Die klassische Gradient Cardioid Variante hat den Vorteil die beste Rückwärtsdämpfung zu ermöglichen bei dem Nachteil im Schallfeld die Impulsantwort zu verzerren und einer ungleichmäßigen horizontale Abdeckung über den Frequenzgang. Die End Fired Variante wiederum kehrt diese Eigenschaften um und hat eine ungleichmäßige rückwärtige Dämpfung bei phasengleicher Addition im Schallfeld.

Wo ist das Problem?
Die End Fired Aufstellung bietet also die erste o.a. Voraussetzung phasengleicher Addition aller Frequenzen im vorderseitigen Schallfeld. Die zweite Bedingung, dass alle Einzelschallquellen mit gleichen relativen Pegel am Emissionsort/Messmikrofon/Abhörort eintreffen ist jedoch nicht erfüllt.   

Wirkungsgrad Reloaded

1+1 = 3

Was ist der Grund für die mangelhafte Überschätzung von End Fired Aufstellungen?
Natürlich hat ein solches System eine Richtwirkung. Doch was ist überhaupt eine Richtwirkung?
Jede Richtwirkung ist im Grunde nichts anderes wie das zunutze machen von gezielter destruktiver Addition.
d.h. im unseren Fall die Feldgröße Schalldruck zweier Schallquellen heben sich ganz oder teilweise gegeneinander auf.
Dadurch werden Bereiche im Schallfeld unterversorgt.
Die Annahme, dass sich dadurch an anderer Stelle im Schallfeld magische Energiewunder ergeben ist aber falsch.
Die perfekte Addition von Schalldruck durch rundabstrahlende Subwoofer ist stets 0dBr bei 0°.
Jeder Subwoofer erzeugt 0dBr Schalldruck.
Besser als mit 0° Phasenverschiebung kann man sie nicht addieren.
Die einzige Möglichkeit den nominalen Schalldruck zu erhöhen ist das zunutze machen von räumlicher Begrenzung der Schallausbreitung, z.B.: Boden, Wand, Ecke, oder Horn. Hierbei wird die Schallleistung auf ein kleineres Volumen verteilt und Schalldruck ist bekanntlich die Folge von Schalleistung. Das trifft hier aber nicht zu. Auch habe ich keine Quelle gefunden die das Einrichten von End Fired Subwoofer Arrays beschreibt und erwähnt, dass man damit mehr Energie in die Tiefe verteilen kann als mit alternativen Aufstellungen gleicher Menge Subwoofer. Es wird stehts nur die Richtwirkung beschrieben. Das einzige was oft falsch beschrieben wird sind die Summenpegel.

Fehler im Schulbuch

Oft liest man, die erste Reihe End Fired bringt +6dB und jede weitere +3dB. Alternativ findet man die etwas richtigere Variante, dass die Summenpegel der kohärenten Addition der Mengenverhältnisse entsprechen. Hierzu ein paar Berechnungen.

Erste Reihe

Zweite Reihe

Dritte Reihe

Vierte Reihe

Fünfte Reihe

Wie falsch kann es sein?

Wenn Du mir bis hierhin folgen konntest sollte klar sein, dass diese Berechnungen für Mono Cluster zutreffen bei denen die beiden Grundbedingungen gleiche Phasenlage und gleicher relativer Pegel zutreffen. Nicht jedoch für End Fired Aufstellungen bei denen die Schallquellen unterschiedliche Entfernungen und damit Pegel zu einem Mess-/Abhörort aufweisen. Hierzu eine weitere Berechnung für eine Variante mit 50Hz Tuningfrequenz.

12 Reihen End Fired @ 50Hz

Alles ist relativ

Wer steht schon 1m vor den Subwoofern? Mit zunehmender Entfernung relativieren sich die Pegeldifferenzen der einzelnen Subwoofer! Vergleichen wir hierzu die Pegeldifferenzen von End Fired Aufstellungen mit der gleichen Menge Subwoofer als vertikales Stack Mono Cluster in verschiedenen Entfernungen.

Pegeldifferenz bei 1m Abstand vom Frontgrill der 1. Reihe.

Pegeldifferenz bei 2m Abstand

Pegeldifferenz bei 4m Abstand

Pegeldifferenz bei 8m Abstand

Pegeldifferenz bei 16m Abstand

Pegeldifferenz bei 32m Abstand

Pegeldifferenz bei 64m Abstand

Pegeldifferenz bei 128m Abstand

Wer gewinnt?

Wie man sieht gewinnt immer die klassische Stack Variante, wenngleich sich der absolute Gewinn irgendwann mit dem Abstand egalisiert. Die End Fired Variante ist jedoch mitnichten in der Lage Energie irgendwie effektiver in die Tiefe zu schießen, das einzige was sie kann ist das Pacman Spiel nach hinten zu spielen. 

Und was ist mit der Linienwirkung?

Eine End Fired Aufstellung wirkt wie eine gekoppelte Linienschallquelle für die Nahfeldbedingungen gelten was den Pegelverlust über die Entfernung angeht. Außerdem baut man gerne horizontale Arrays was ebenfalls eine Linienankopplung bewirkt. Berechnen wir also kurz noch den Übergang vom Nahfeld ins Fernfeld bei verschiedenen Mengen End Fire Reihen und 20m Breite eines horizontalen Arrays.

Linienwirkung bei 2, 3, 4, 8, 16, 24 Reihen sowie 20m Breite

Überprüfung mit Prediction Software

Da ich tendenziell eher schlecht in Mathe war empfiehlt sich die Überprüfung der eigenen Berechnung gegen eine Software die schlauere Menschen programmiert haben.
An dieser Stelle einen herzlichen Dank an meinen Mathe Lehrer Herrn Ebeling, der mir beim Fachabi durch seine begeisternde Art tatsächlich zu meiner ersten 1 in Mathe verholfen hat und ohne den ich heute wahrscheinlich solche einfachen Berechnungen wie diese hier gar nicht durchführen könnte.

L-Acoustics Soundvision

Praktische Prüfung

Wenn die Theorie stimmt muss man sie in der Praxis beweisen können!
Anm: Da es regnete musste der Beweis in der Halle erfolgen. Die Abweichungen konnten mit Raummoden und Diffusschall begründet werden. Ein Freifeldversuch erscheint mir überflüssig da ich alle Behauptungen beweisen konnte. 

L-Acoustics KS28 und ab ins Lager

Fazit

End Fired Subwoofer Arrays können keinen Schalldruck herbei zaubern!

Bonus

Hier kannst Du dir “The Last Endfire Subwoofer Calculator” runterladen.

Features:

  • Berechnung des Abstands für eine Tuningfrequenz
  • Berechnung der Verzögerungszeit für 2 Temperaturen
  • Berechnung der Kammfilterauslöschung bei einer gewählten Zuspielfrequenz für frei wählbare Crossoverfrequenzen von Top- und Sub Lautsprechern.
  • Berechnung der Auslöschung hinter dem Endfire Array bei Tuningfrequenz +/- Eine Oktave
  • Berechnung der Phasenlagen für eine wählbare Zuspielfrequenz hinter-, vor- und neben dem Array sowie die Phasenwinkeldifferenz bei einer Temperaturnderung
  • Berechnung der elektronischen Verzögerungszeit für eine wählbare Frequenz und Phasenlage
  • Berechnung der Pegeldifferenz hinter dem Array für eine zweireihige Endfired Aufstellung bei wählbaren Mikrofonabstand
  • Berechnung des Pegelverhältnis kohärenter Schallquellen
  • Berechnung des Pegelverhältnis inkohärenter Schallquellen
  • Berechnung der Summenpegel und Verzögerungszeiten für bis zu 12 Reihen Endfired
  • Berechnung der Pegeldifferenz Endfired vs. Stacked für 2, 3, 4 Lautsprecher bei wählbaren Abstand
  • Berechnung der Zahnlücke für wählbare Mengen Subwoofer und Bühnenbreite, sowie resultierende Phasenwinkel
  • Berechnung des Übergang vom “Nahfeld” ins “Fernfeld” unter Linienschallquellen Bedingungen/Definitionen
  • Berechnung des Schallpegelabfall über eine frei  wählbare Distanz von Start bis Ende für Nahfeld und Fernfeldbedingungen